28.11.2020

Von Spruchbändern, Werbebanden und Kommunikatonsfehlern

von Wuhlesyndikat in Allgemein

Hallo Unioner,

jedem geneigten Betrachter mag aufgefallen sein, dass beim letzten Heimspiel gegen Bielefeld kein Spruchband am Zaun vor der Gegengerade hing, wie es die Heimspiele zuvor der Fall war. Mit diesen Spruchbändern gingen wir in der Vergangenheit auf aktuelle Entwicklungen innerhalb des deutschen Fußballs ein und begleiteten den Reformprozess kritisch. Selbiges unterlegten wir auch immer wieder im jeweiligen Programmheft mit ausführlichen Erläuterungen.

Die Gründe für das Fernbleiben eines Spruchbandes am vergangenen Heimspieltag sind vielschichtig. Auf einige werden wir eingehen und diese erläutern. Andere Themen werden wir bewusst nicht ansprechen, da es zur Unionfamilie dazu gehört, Interna vorerst auch nur intern zu besprechen. Keinesfalls möchten wir mit dem Finger auf Andere zeigen oder gar jemanden bezichtigen, sich gegen uns zu wenden oder uns ausspielen zu wollen. Das Zusammenstehen auch in schweren Zeiten ist eines der größten Güter, die wir als Unioner haben.

Das Aufhängen der Spruchbänder war seit Saisonbeginn mit erheblichen Auflagen verbunden und spitzte sich zunehmend zu. Keinesfalls, weil Union nun neue Auflagen für Spruchbänder hat, sondern weil – bedingt durch die pandemische und rechtliche Lage- die Auflagen der DFL immer mehr zunahmen. Diese besagen aktuell, dass keiner aus dem Zuschauerraum von den gekennzeichneten Wegen abkommen darf. Damit ist es unmöglich als Zuschauer an den Zaun zu gelangen, um ein Spruchband aufzuhängen. Ebenfalls ist es natürlich nicht möglich, am Spieltag selbst in den Innenraum zu gelangen. Daher einigten wir uns darauf, das Spruchband immer ca. 8 Stunden vor Spielbeginn anzubringen, sodass auch keiner Gefahr läuft, infiziert zu werden oder es großartige Wellen schlagen könnte. Das war eine bewährte Praktik und keinem eine wirkliche Last. Nachdem Union in die Schlagzeilen geriet, weil ja angeblich keiner auf Abstand achtet und jede erdenkliche Gazette das Thema aufgegriffen hat, schielte natürlich auch das Gesundheitsamt auf die Situation im Stadion An der Alten Försterei. Dieses gab anscheinend zu verstehen, dass sich Union gefälligst an alle Auflagen zu halten habe, sonst könnten sie Zuschauer während eines Spiels vergessen. Die Crux: eine Woche später durfte keiner mehr rein, deutschlandweit. Naja, ungeachtet dessen gingen wir natürlich davon aus, dass wir wie „immer“ unsere Spruchbänder aufhängen können. Die Antwort war aber anders: „Diesen Spieltag ist es nicht möglich, das Spruchband zu zeigen.“ Bamm! Da kam die Schelle. Kein Spruchband? Bei dem so fanfreundlichen 1. FC Union Berlin? Für uns bis dato auch schon undenkbar, doch es ist passiert. Nicht nötig zu sagen, dass bei uns direkt Zorn aufkochte. War es doch unser letztes Zeichen, was wir nach außen geben konnten, die letzte Möglichkeit den Leuten zu zeigen, dass Reformen benötigt werden, ja die letzte Möglichkeit, dem Fan eine fußballpolitische Stimme zu geben. Dennoch war es so. Wo aber lag das Problem? Keiner konnte uns zu diesem Zeitpunkt sagen, weshalb kein Spruchband am Zaun hängen darf und wieso auch Vereinsmitarbeiter, die ja getestet werden, nichts anhängen dürfen. Fragen über Fragen also, wegen einer Sache, die für uns so selbstverständlich ist, wie das Atmen. Die Quintessenz war, dass man auf Seiten Unions tatsächlich auf weiteres Brimborium verzichten will, um das Auge des wachsamen Gesundheitsamtes nicht noch mehr auf die Wuhlheide richten zu lassen. Man hätte dem ganzen Trubel drum herum auf jeden Fall niedriger gehalten, hätte man das direkt kommuniziert. So einfach vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, halten wir nicht für die Art und Weise, wie wir uns unter Unionern begegnen.

Auch am heutigen Spieltag stehen wir vor einem Problem: Da keine Zuschauer ins Stadion gehen können, bleiben Ticketeinnahmen aus. Daraus resultiert auch kein Erlös aus dem Catering und dem Merchandise, logisch. Ebenso aber fehlen Werbeeinnahmen aus Reklame, die für die Stadionbesucher gedacht ist. Ist halt keiner mehr da, der umworben werden könnte. So wird zum Beispiel die Werbung am Stadiondach nicht von TV-Kameras eingefangen. Diese fehlenden Einnahmen muss der Verein in irgendeiner Art und Weise natürlich versuchen zu kompensieren. Diese Kompensation ist eine weitere Werbebande am Zaun der Gegengerade. Auch diese Info traf uns wie eine harte Rechte. Genau dort, wo sonst unsere Zaunfahnen hängen, da wo wir unser letztes Lebenszeichen alle zwei Wochen absenden soll jetzt einfach Werbung hängen?!Das kann doch nicht wahr sein! Auch hier wurden wir vor vollendete Tatsachen gestellt, ohne dass man uns die Chance gab, gemeinsam eine Lösung zu finden. Für uns ist es unstrittig, dass der Zaun ein Instrument und auch ein Medium der Fans ist und nicht die eines Geldgebers. Daher ist uns der Gedanke fremd, das einfach so zu akzeptieren und hinzunehmen. Ebenfalls ist uns aber auch die prekäre Situation des Vereins bewusst, der eine Verantwortung zu tragen hat. So stehen wir -wie so oft in dieser Krise- zwischen den Stühlen. Aber wir fühlen uns auch im Verständnis für unsere Sache sehr im Stich gelassen. Erst recht, wenn man hört, es sei schade, dass auf den Spruchbändern nichts Positives über die Mannschaft zu lesen ist. Dafür machen wir das auch nicht! Wir hängen diese Spruchbänder auf, weil wir die Leute daran erinnern wollen, dass es Zeit für Veränderungen ist. Veränderungen, über deren Notwendigkeit sich im Frühjahr scheinbar noch alle einig waren, die aber bis heute nicht zu sehen sind…

Wir werden weiter bei unserer Haltung bleiben und uns nicht verbiegen, auch wenn Kompromisse dies manchmal vermuten lassen.  Und welche Themen Fans für ihre Spruchbänder aufgreifen, das sollte ihnen auch weiterhin selbst überlassen werden.

Wuhlesyndikat 2002