12.12.2020

Auf ein Wort, Herr Rummenigge…

von Wuhlesyndikat in Allgemein

Sehr geehrter Herr Rummenigge,

herzlich willkommen im Stadion an der Alten Försterei! Unserem Wohnzimmer. Nur ohne uns. Sie hingegen sind jetzt schon das zweite Mal hier und sehen Ihren FC Bayern gegen den 1. FC Union Berlin in diesem schönen Stadion spielen. Wir hatten diese Gelegenheit noch nicht. Ist halt nur privilegierten Personen gestattet. Sei`s drum. Sie sind ja auch nicht irgendwer. Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG. Ehrenvorsitzender der Vereinigung der europäischen Fussballvereine (ECA). Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande und des Bayerischen Verdienstordens. Also im Grunde der König der Bundesliga. Mit dem FC Bayern haben Sie als Spieler und später als Funktionär unzählige Meisterschaften, DFB-Pokale, Champions League-Titel und weiß der Geier was noch alles gewonnen. Zuletzt die Meisterschaft 8-mal hintereinander. Verrückt. Wir haben mal den FDGB-Pokal gewonnen, 1968 oder waren z. B. mal Gruppensieger im Intertoto Cup, 1986. In einem Land, dass es heute gar nicht mehr gibt.

Und dennoch spielen wir heute gegeneinander. In derselben Liga. Aber irgendwie auch nicht. Geben Sie`s zu, Sie müssen schon ein bisschen schmunzeln, während Sie das lesen und sich unten auf dem Rasen diese Unioner gegen Ihren FC Bayern abrackern. Oder mit anderen Worten: 60 Millionen Euro Marktwert gegen 895 Millionen. Oder 600.000 Euro durchschnittliches Spielergehalt gegen 7,2 Millionen. Oder 35 Millionen Euro Medienerlöse gegen 256 Millionen. Das ist schon niedlich, gell? Dabei ist doch immer die Rede von einem fairen Sport?! Aber damit ist wohl nur gemeint, dass unsere Rumpelfußballer ihren Millionen-Investitionen nicht die Goldbeinchen kaputttreten. Da brauchen Sie heute keine Angst haben, der gute Andrich hat sein Pulver schon an die Blauen verschossen.

Aber wir wollen hier auch keine Neid-Debatte lostreten. Keiner hier ist traurig, dass Union nicht um die Meisterschaft spielen kann. Darum geht es nicht. Jedoch hat jeder von uns ein Gerechtigkeitsempfinden in sich. Wir wachsen in einer Gesellschaft auf, die jahrzehntelang bemüht war (jedenfalls wahrt sie diesen Anspruch), einen Ausgleich zwischen arm und reich zu finden. In der auch Benachteiligte eine lebenswerte Existenz erhalten sollen. Eben keine Gesellschaft, in der nur die Starken das Sagen haben und die Richtung bestimmen. Aber auch unser Land ist im Umbruch. Solidarität und soziale Gerechtigkeit stehen auf der Kippe, zugunsten von Konsum und ewigem Wachstum. Die vielzitierte Schere zwischen arm und reich klafft so weit auseinander wie nie zuvor und gesellschaftliche Stände verfestigen sich. Wer arm aufwächst, bleibt arm. Wer aus reichem Hause kommt, braucht nicht viel tun, um reich zu bleiben.

Oh, sind wir vom Thema abgekommen? Nein, sind wir nicht. Genau das Gleiche gilt auch für den Fußball. Wir wollen einen fairen Sport, in dem es rein um sportlichen Wettbewerb geht. Wer weniger Mittel zu Verfügung hat, soll mehr Unterstützung bekommen. Wer viel von allem hat, gibt den anderen etwas ab.

Nur so wird das Spiel wieder interessant, nur so gewinnt der Sport wieder an Faszination. Wer hat, mit den selben Mitteln wie die anderen, die besten Spieler für sich gewinnen können? Wer hat den besten Trainer, das beste sportliche Konzept, die beste Taktik oder die schlausten Trainingsmethoden? Der soll am Ende auch gewinnen. Das wäre unsere Vorstellung von einem fairen Sport.

Aber, lieber Karl-Heinz, wem erzählen wir das eigentlich? Seit Jahren blocken Sie alle Bestrebungen ab, die Bundesliga und Ihre Vereine wirtschaftlich näher zueinander zu bringen. Sie drohen den Klubs, sich alleine zu vermarkten, falls sie gegen den Status Quo opponieren wollen. Sie suchen demonstrativ den Schulterschluss mit Oligarchen und Investoren, um deutlich zu machen, wie wenig Interesse Sie am Fußball und den Menschen, die den Fußball lieben, haben.

Die Verteilung der Fernsehgelder ist seit der Einführung stetig zu Ihren Gunsten verändert worden. Und eigentlich geht’s gar nicht um die Erlöse der DFL. Die Bundesliga ist doch nur die Eintrittstür für das richtig große Geschäft in Europa. Da wollen Sie hin! Und am liebsten da bleiben. In Turin, Barcelona oder Paris ist es halt viel schöner, als sich in Paderborn, Bielefeld oder im Osten Berlins den Hintern platt zu sitzen.

Herr Rummenigge, jetzt stehts bestimmt schon 3:0 für Ihre Bayern. Das ist doch langweilig. Seien Sie ehrlich und sagen Sie es endlich: Sie wollen die Super-Liga! Nur noch große Spiele und große Vereine, teure Spieler und Mega-TV-Einnahmen. Das ist ok. Ehrlich.

Jetzt, wo es raus ist, ist‘s auch gar nicht so schlimm. Dieses jahrelange Verleugnen – das ist doch nicht gut für die Seele. Und hey, wir haben wirklich nichts dagegen. Nehmen Sie doch gleich Dortmund und Leipzig mit. Hoffenheim und Wolfsburg gleich noch hinterher. Und Leverkusen. Aus der 2. Liga dürfen dann 6 Mannschaften aufsteigen. Dann schafft es vielleicht auch der HSV wieder hoch. Egal. Wir verteilen alle Fernsehgelder auf alle Profivereine gleichermaßen und dann haben wir wieder Spannung, aber auch finanzielle Sicherheit in allen 3 Ligen.

Also für uns wäre das ok. Geben Sie sich einen Ruck! Gleich ist Pressekonferenz und eh wieder irgendwer was Langweiliges zu Lewandowskis 5 Toren sagen muss, hauen Sie einen raus: Der FC Bayern geht in die Super-Liga und blockiert keine Reformen der TV-Vermarktung mehr!

Ach, und eine Sache noch, für die Sie wohl nur bedingt etwas können. Stichwort neuer Verteilerschlüssel für die Fernsehgelder. Klar ist, dass insbesondere Ihr FC Bayern übermäßig bevorteilt bleiben wird. Ähnliches gilt für die anderen „Top-Adressen“ der ersten Liga. Das Ganze hat weiterhin nichts mit einer gerechten Verteilung zu tun und insbesondere die Vereine der 2. Liga bleiben weiterhin benachteiligt! Wenn das eine der im Frühjahr groß angekündigten Reformen sein soll, können wir allen nur `ne gute Nacht wünschen!

Und falls Sie noch eine Anregung benötigen, wie denn eine gerechte Verteilung in Ansätzen aussehen könnte, können wir Ihnen nur unseren im Programmheft zum Heimspiel gg. Mainz erschienen Beitrag ans Herz legen.

So verbleiben wir herzlichst und mit besten Grüßen!

Ihr Wuhlesyndikat 2002

…vorrangeganger Beitrag erscheint auch im heutigen Programmheft zum Spiel gegen den FC Bayern, wo wir derzeit immer mit einem Text zu aktuellen Themen rund um den Profifußball Stellung beziehen. Wie ihr an das Programmheft, trotz Geisterspielen, herankommt, erfahrt ihr hier.