Offener Brief der Fanszenen vom 1. FC Union Berlin und von Hertha BSC
Sehr geehrte Frau Innensenatorin Spranger,
mit großem Schrecken haben wir die Aufnahme des TOP 22 „Fußball ohne Gewalt“ auf die Tagesordnung der kommenden Innenministerkonferenz (IMK) zur Kenntnis genommen. Hunderte Fans des 1. FC Union Berlin und von Hertha BSC haben sich am Sonntag, 16.11.2025 an der großen Fandemonstration in Leipzig beteiligt. Auch der folgende, bundesweite, stille 12-minütige Protest in den Stadien wurde durch die Anhängerschaften beider Vereine in beeindruckender Einheit mitgetragen. Inzwischen hat sich eine Vielzahl an Fußballvereinen positioniert und fordert eine faktenbasierte Diskussion ein.
Forderungen nach personalisierten Tickets für Besuche von Fußballspielen, Gesichtsscannern an den Stadiontoren, einer zentralen Kommission als Aufsichtsorgan sowie verhängten Stadionverboten schon bei einem eingeleiteten Ermittlungsverfahren sind nicht hinnehmbar. Sie zeugen von der Unkenntnis darüber, wie sicher es in unseren Stadien ist und von der Ignoranz gegenüber dem kulturellen Wert einer lebendigen Vereins- und Fankultur.
Trotz einer steigenden Gesamtzuschauerzahl in den oberen drei Ligen des Profifußballs der Männer auf über 25 Millionen binnen einer Saison sind die Zahlen der Verletzten zurückgegangen. Dies zeigen die Zahlen der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS), die für die Saison 2024/2025 1.107 Verletzte ausweist (2023/2024: 1.338). Hierbei ist es nicht transparent oder wissenschaftlich nachvollziehbar, nach welchem Verfahren die ZIS ihre Zahlen überhaupt erhebt. Alle Zahlen zeigen: Der Besuch eines Fußballstadions sicherer ist als je zuvor. Nichtsdestotrotz wird das Thema „Fußball ohne Gewalt“ auf die Agenda der anstehenden IMK genommen. Inwiefern dies für eine sachliche, an den Fakten und den Anliegen der Menschen orientierte Politik stehen soll, erschließt sich uns nicht.
Diese sachliche und an den Fakten orientierte Diskussion kann aufgrund mangelnder Transparenz der Innenministerkonferenz nicht geführt werden. Mit der BLoAG wurde eine Parallelstruktur geschaffen, die über Jahrzehnte gewachsene Strukturen übergeht. Weder die Vereine, noch Fanprojekte, Fanhilfen und Fanszenen wurden eingebunden. Auch die Akteure des Nationalen Ausschusses für Sport und Sicherheit (NASS), der für die Umsetzung des Nationalen Konzepts für Sport und Sicherheit (NKSS) zuständig ist und von der IMK zu diesem Zweck eingesetzt wurde, wurden nicht in den Arbeitsprozess mit einbezogen. Nicht einmal demokratisch gewählte Abgeordnete erhalten Informationen. Parlamentarische Anfragen, etwa in der Hamburgischen Bürgerschaft, bleiben inhaltlich weitgehend unbeantwortet. Ein intransparentes Verfahren ohne Datengrundlage, ohne gesellschaftliche Beteiligung und ohne Einbindung der über Jahrzehnte gewachsenen, lokalen und bundesweiten Strukturen im Zusammenhang mit der Durchführung von Fußballspielen wird in den Fußballstadien keine Akzeptanz finden.
Es scheint, als solle der Profifußball als Testfeld für neue Überwachungsmaßnahmen herhalten. Stadionverbote schon bei Einleitung eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens bilden einen Bruch mit den rechtsstaatlichen Prinzipien der Nachweispflicht und Unschuldsvermutung. Auch wir Fußballfans sind Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und fordern rechtsstaatliche Prinzipien im Umgang mit uns ein. Denn leider häufen sich in den letzten Jahren groß angelegte Polizeikontrollen inklusive pauschal eingeleiteter Ermittlungsverfahren gegen hunderte Fußballfans, wie etwa beim Gastspiel von Fortuna Düsseldorf beim 1. FC Köln am 23.02.2025.
Unabhängig von der fehlenden Praktikabilität personalisierter Tickets stellt diese Idee die Vereine vor enorme Herausforderungen und Kosten, wenn die Personalisierung zehntausender Stadionbesucher überprüft werden müsste. Solche Maßnahmen wurden bereits in Italien und Polen installiert und hatten einen massiven Rückgang der Zuschauerzahlen zur Folge. Dies kann kein Ziel der Sportmetropole Berlin sein, deren größte Aushängeschilder ihre Profifußballvereine sind.
Wir hoffen, dass Sie, Frau Spranger, als Vertreterin Berlins auf der Innenministerkonferenz für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger eintreten und die genannten Punkte berücksichtigen werden. Es kann nicht im Sinne des Berliner Senats sein, wenn die großen Fußballvereine der Stadt wegen unverhältnismäßiger Maßnahmen massiv an Strahlkraft einbüßen.
Aussagen ihres Staatssekretärs Christian Hochgrebe in der 61. Sitzung des Innenausschusses am 17.11.2025 lassen uns erschrocken zurück. Ausführungen von „zunehmender Gewalt in Fußballstadien“ sind sachlich falsch. Selbiges gilt für die vorgebliche Transparenz des Prozesses. Die obigen Ausführungen zeigen, dass diese nicht gegeben ist. Die öffentliche Debatte der vergangenen Wochen hat sich erst aufgrund entsprechender Leaks durch Journalisten und Fans ergeben, nicht aufgrund von Veröffentlichungen durch die Innenminister.
Aufgrund der bisher mangelnden Transparenz vonseiten der Innenministerkonferenz und mit Blick auf die im kommenden Jahr anstehende Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin bitten wir Sie, ein deutliches Zeichen im Sinne des Berliner Sports zu setzen.
Die Fans vom 1. FC Union Berlin und von Hertha BSC
