Nein, der Fußball befindet sich in keiner Krise – lediglich das
Geschäftsmodell derjenigen kommt ins Wanken, die sich daran eine goldene
Nase verdienen. Und nicht erst jetzt, aber aktuell mit voller Wucht,
bekommt der Profifußball den Spiegel vor die Nase gesetzt, mit welcher
Missgunst ein großer Teil der Bevölkerung auf den Profifußball blickt.
Wir nehmen wahr, dass sich das Produkt Fußball eine Parallelwelt
erschaffen hat, welche viele Fußballfans mit ausufernden Transfer- und
Gehaltssummen, einer unersättlich wirkenden Gier nach Profit, Korruption
bei Verbänden sowie dubiosen und intransparenten Beraterstrukturen
(2017/18 ca. 200 Mio. €) in Verbindung setzen.
Wiederaufnahme des Spielbetriebs
Wir mögen aktuell nicht beurteilen und abschätzen können, wann ein
vertretbarer Zeitpunkt gewesen wäre, den Ball wieder rollen zu lassen.
Wir bewerten jedoch das Verhalten der Vertreter des Profifußballs als
anstands- und respektlos, sich in der aktuellen Krisensituation derart
aggressiv in den Vordergrund zu drängen. Der Gedanke, dass sich mit
genügend Geld und ausreichender Lobbyarbeit Sonderwege bestreiten
lassen, lässt sich leider nicht von der Hand weisen. Ein Vorpreschen bei
der Inanspruchnahme routinemäßiger Screenings erachten wir als
anmaßend, würden uns doch dutzende andere Institutionen einfallen, bei
denen verdachtsunabhängige Testungen mehr Sinn ergeben würden. Übel
stößt hierbei nicht die generelle Inanspruchnahme von Testkapazitäten
auf, sondern weil sich der Profifußball eine soziale Relevanz anmaßt und
eine Sonderbehandlung bewirkt, die in keinem Verhältnis zur aktuellen
gesellschaftlichen Rangordnung steht.
Wir hätten vielmehr eine
Vorgehensweise erwartet, welche der sozialen Verantwortung und der
Vorbildfunktion des Fußballs gerecht wird.
Veränderungen
„Es steht außer Frage, dass künftig Nachhaltigkeit, Stabilität und
Bodenständigkeit zu den entscheidenden Werten gehören müssen“. Zwar
zeugt die von der DFL getätigte Aussage durchaus von Selbstkritik, zeigt
jedoch gleichzeitig auch, nach welchem Maßstab bisher Entscheidungen
getroffen wurden und in welchem Ausmaß man von wirtschaftlichen
Interessen getrieben wurde.
Es ist jetzt, und nicht erst nach
überstandener Krise, an der Zeit, über konkrete Veränderungen im
Profifußball zu debattieren und Entscheidungen zu treffen:
1. Wettbewerbsfördernde, ligaübergreifende Verteilung der Fernsehgelder
Der aktuelle Verteilungsschlüssel
sorgt dafür, dass die Schere zwischen finanziell starken und schwachen
Vereinen immer weiter auseinandergeht. Eine gerechtere Verteilung
fördert den sportlichen Wettbewerb und steigert die Attraktivität der
Ligen.
2. Rücklagen
Es muss festgelegt werden, dass die
Clubs Rücklagen bilden, um zumindest kurzfristige Krisen jeder Art
überstehen zu können, ohne direkt vor der Insolvenz zu stehen. Hierbei
muss vor allem Rücksicht auf die e.V.-Strukturen genommen und dafür
adäquate Lösungen gefunden werden, ohne diese – ebenso wie 50+1, in
Frage zu stellen. Schließlich ist der Verkauf von Substanz zur Rettung
der Liquidität genau die Denkweise, die zur jetzigen Krise geführt hat.
Daher ist der Umstand, dass die 50+1 Regel zum Teil in Frage gestellt
wird, aus unserer Sicht vollkommen unverständlich.
3. Gehalts- und Transferobergrenzen
Spielern und Funktionären seien
weiterhin wirtschaftliche Privilegien vergönnt. Analog zu Transfersummen
sollten jedoch auch diese gedeckelt werden, um aktuelle Auswüchse zu
stoppen und dem irrationalen und unverhältnismäßigen Wettbieten
entgegenzuwirken.
4. Einfluss durch Berater beschränken
Rund um die Spieler hat sich ein Netzwerk an Profiteuren gebildet,
welches für den Sport in keiner Weise produktiv ist. Dieses muss
aufgedeckt, reglementiert und eingeschränkt werden.
Wenn man sich auf der Mitgliederversammlung des eigenen Vereins
erklären lässt, wie gering der Bruchteil der teils horrenden
Ablösesummen ist, der dem eigenen Verein tatsächlich zu Gute kommt, wird
schnell sichtbar, dass an diesem System des modernen Menschenhandels
einiges nicht stimmen kann.
Zu hoch sind die Beträge, die bei den Transfererlösen bei den
Spielerberatern hängen bleiben, deren Handeln im Interesse ihrer
Schützlinge oft durchaus angezweifelt werden darf. Hier ist leider zu
vermuten, dass oft der Blick auf den eigenen Gewinn, das „Kasse machen“,
im Vordergrund steht und Spieler die Clubs öfter wechseln, als das
ihrer eigenen sportlichen Entwicklung zuträglich wäre.
Richtig problematisch wird es dann, wenn sich unter den großen
Beratungsbüros kartellartige Strukturen bilden, die mit Absprachen unter
der Hand die Transferzahlungen in die Höhe treiben. Der freie Markt aus
Angebot und Nachfrage ist dann nachhaltig gestört und es entsteht eine
Preisspirale, an der der Profifußball kein Interesse haben kann.
Ebenso muss den verschiedenen Investmentfirmen, welche sich an den
Rechten der Spielertransfers beteiligen, ein Riegel vorgeschoben
werden. Es darf nicht sein, dass sich Privatpersonen unter dem
Deckmantel dieser Firmen die eigenen Taschen füllen und die Verbände die
Augen verschließen!
Natürlich ist es in Ordnung und Teil
des Wettbewerbes Fußball, wenn gute Spieler gute Gehälter erzielen und
entsprechende Transfersummen kosten. Spieler sind (leider) auch eine
Handelsware. Die Abartigkeiten, die hier aber in den letzten Jahren
gewachsen sind, sind nicht Ausdruck eines gesunden Wettbewerbs.
5. Kader begrenzen
Durch aufgeblähte Spielerkader lagern die Vereine „Kapital“ auf
Ihren Auswechselbänken. Manch ein Verein verpflichtet Spieler nur, damit
diese nicht für die Konkurrenz auflaufen können und lässt sie dann auf
der Bank oder Tribüne versauen. Vereine, die es sich leisten können,
blähen ihre Kader künstlich auf. Dem Motto folgend „was ich habe hat
schon mal kein anderer“. Das ist natürlich eine Strategie, gegen die
Konkurrenten zu arbeiten. Ob sie sportlich ist, steht auf einem anderen
Blatt.
Eine Begrenzung der Anzahl an Spielerleihen ist bereits geplant.
Dies gilt es, auf die Reduzierung der Profikader auszuweiten Ein
beliebiges Aufstocken mit Nachwuchskräften sollte dennoch jederzeit
möglich sein, denn würde es rein um die Absicherung gegen Ausfälle
gehen, spricht absolut nichts dagegen, Nachwuchsspieler aus den eigenen
Reihen hochzuziehen. In diesem Fall zeugt ein großer Kader mit eigenen
jungen Spielern von einer nachhaltigen und guten Nachwuchsarbeit. Dies
gilt es in Zukunft vermehrt zu fördern.
Ein „Zusammenkauf“ von Profispielern
„auf Halde“ ist grundsätzlich abzulehnen. Das wird nicht zuletzt den
Spielern nicht gerecht, deren Entwicklung dadurch nachhaltig gestört
wird.
Wir werden genauestens verfolgen, ob auf die eigenen Worten der
Verbandsvertreter und von Funktionären, den Fußball ändern zu wollen,
auch Taten folgen. Schluss mit Ausreden und Heraufbeschwören von
Unmachbarkeitsszenarien. Wir erwarten eine lösungs- und keine
problemorientierte Herangehensweise mit transparenten Arbeitsschritten.
Fanszenen Deutschlands im Mai 2020